Good Practice: flexibles Arbeiten auf dem Gertrudenhof

Der Gertrudenhof in Hürth bei Köln ist ein familiengeführter Erlebnisbauernhof mit jährlich über 500.000 Besucher*innen aus der Region, Düsseldorf und den Nachbarländern. Der Betrieb wird in vierter Generation von dem studierten Agrarwissenschaftler Peter Zens geführt. Gemeinsam mit seiner Partnerin Dana und über 100 Mitarbeiter*innen bewirtschaftet er ein 25.000 Quadratmeter großes Areal mit Bauernmarkt, Hofcafé, Gnadenhof-Streichelzoo und einem umfangreichen Freizeitbereich für Kinder.

Ein zentraler Schwerpunkt des Gertrudenhofs liegt auf der Bildungsarbeit. Als anerkannter Schulbauernhof bietet er Programme zur Umweltbildung und nachhaltigen Entwicklung für Kinder und Jugendliche an, die mehrfach ausgezeichnet wurden. Ziel ist es, nachhaltiges Denken früh zu fördern und den Bezug zu landwirtschaftlichen Prozessen und Biodiversität praxisnah zu vermitteln.

Der Betrieb versteht sich zugleich als sozial engagiertes Unternehmen. Menschen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt – etwa aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen oder schwierigen Lebensumständen – erhalten hier Beschäftigungsperspektiven. Zwei Drittel der Führungskräfte sind Frauen. Die Arbeitszeitmodelle sind auf die besonderen Anforderungen eines saisonal geprägten Betriebs abgestimmt. Flexible Jahresarbeitszeitkonten ermöglichen eine faire Verteilung von Mehrarbeit in Hochphasen wie Ferienzeiten oder Wochenenden. Im Rahmen unserer Good-Practice-Reihe haben wir drei Fragen an Peter Zens gestellt.

1. Als Ausflugsziel müssen Ihre Mitarbeiter*innen oft am Wochenende arbeiten, was für viele Bewerbende erstmal nicht besonders reizvoll sein dürfte. Und da viele Frauen bei Ihnen tätig sind, ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sicher ein großes Thema. Wie schaffen Sie es, dennoch Menschen für Ihren Betrieb zu gewinnen?
Wochenendarbeit wirkt auf den ersten Blick wenig attraktiv – vor allem für Eltern, die Zeit mit ihrer Familie verbringen möchten. Genau dort setzen wir aber an: Bei uns gibt es keinen starren Dienstplan, sondern ein digitales Wunsch-System, in dem jede*r Wünsche zu freien Tagen im Voraus angeben kann, sogar unterschieden in Anfragen für verbindlich frei, für Dinge die wirklich wichtig sind und „Wunschfrei“ für „nice to have“-Tage. So können Mitarbeitende Wochenenden und genauso Ferienabschnitte mitbestimmt planen. So entsteht planbare Flexibilität: Die Familie weiß früh, wann gemeinsame Zeit möglich ist, und ich besetze trotzdem zuverlässig die Stoßzeiten.

Dieses System funktioniert in unterschiedlichsten Arbeitszeit­modellen – von vier bis vierzig Stunden, als Mini-Job, Teilzeit oder Job-Sharing – und lässt sich jederzeit an Lebensphasen wie Elternzeit oder Studium anpassen. Und damit Wochenenddienste nicht nur organisatorisch, sondern auch finanziell interessant sind, zahlen wir Sonn- und Feiertagszuschläge sowie einen Teamwork-Bonus.

2. Auf dem Erlebnisbauernhof herrscht große Vielfalt an unterschiedlichsten Aufgaben und Stellen. Vom Helferjob bis zu Managementtätigkeiten ist alles dabei. Wie fördern Sie Menschen in Ihrer beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung?
Als Inhaber des Erlebnisbauernhofs Gertrudenhof betrachte ich unseren Hof als lebendigen Lern- und Entwicklungsraum – für Kinder, Gäste und ganz besonders für unser Team. Die große Vielfalt an Aufgaben, von der praktischen Arbeit auf unseren Feldern oder mit unseren Gnadenhof-Tieren bis zur Führungskraft im Veranstaltungsmanagement, nutzen wir bewusst als Chance, Talente zu entdecken und gezielt zu fördern. Jede neue Mitarbeiterin und jeder neue Mitarbeiter erhält einen strukturierten Onboarding-Plan, der nicht nur die fachlichen Grundlagen vermittelt, sondern auch unsere Werte wie Nachhaltigkeit, Gastfreundschaft und Teamgeist erlebbar macht. Im Anschluss entwickeln wir gemeinsam individuelle Lernpfade: Wer länger bleiben möchte, lernt oft auch noch einen zweiten Wirkungsbereich kennen und kann so ein breit gefächertes Kompetenzprofil aufbauen, dass Abwechslung für den Mitarbeitenden und Resilienz für Prozesse und den ganzen Hof schafft.

Fort- und Weiterbildungen sind bei uns kein Lippen­bekenntnis, sondern fest im Jahresbudget verankert. Wir finanzieren Fachseminare sowie Coaching-Sessions und bieten regelmäßig interne Workshops an, in denen Kolleginnen und Kollegen ihr Wissen teilen. Für angehende Führungskräfte gibt es ein Mentoring-Programm, einer externen Agentur, die praxisnah begleiten und Feedback geben.

3. In Ihrem Führungskräfte-Team arbeiten zehn Frauen und sechs Männer. Was schätzen Sie an weiblichen Führungskräften?
Wenn ich auf mein Führungsteam schaue, erlebe ich täglich, welchen unschätzbaren Mehrwert unsere weiblichen Führungskräfte für den Gertrudenhof bedeuten. Sie bringen eine ausgeprägte Mischung aus Empathie und Klarheit mit: Einerseits hören sie sehr genau zu, spüren Stimmungen im Team frühzeitig und schaffen eine Atmosphäre, in der sich Mitarbeitende wirklich gesehen fühlen. Andererseits treffen sie konsequent Entscheidungen und verfolgen Ziele mit bemerkenswerter Ausdauer – gerade in einem Saisonbetrieb wie unserem ist dieser Balanceakt Gold wert.

Besonders schätze ich auch Kommunikationsstärke, organisatorisches Talent und Innvationsfreude bei meinen weiblichen Führungskräften. Sie hinterfragen Routinen und bringen kreative Ideen ein, zum Beispiel, wenn es darum geht, neue Bildungsangebote für Kinder zu entwickeln oder digitale Lösungen auf dem Hof einzuführen. Diese Offenheit für Neues hält unseren Betrieb beweglich und zukunftsfähig.

Foto: Gertrudenhof


Das Projekt wird gefördert von:

Trägerin:

In Kooperation mit:

Beiratsmitglieder

Kompetenzzentrum Frau & Beruf Region Köln
Kontaktformular

Kontaktieren Sie uns